Die Kreuzigung Christi auf Golgota

Das wichtigste Symbol des Christentums ist das Kreuz Christi. Lange dauerte der Streit urn die Zahl der Nagel, die in sein Korper auf dem Kreuz eingeschlagen wurden. 3ie friihere Tradition der vier Nagel (fruhchristliche und byzantinische Kirche) lieE Christus am Kreuz mit separat angenagelten Fiilsen nebeneinander zeigen, die auf einer Fulś-jank (suppedaneum) ruhten. Seit dem 14. Jh. wurden die Fiilse iibereinander geschlagen und mit einem Nagel durch-bohrt dargestellt. Diese Darstellungsweise verbreiteten die Jesuiten.

Pilatus liefi ein Schild, „titulus“ genannt, mit dem Schuld-spruch „I.N.R.I“ (lesus Nasarenus Rex Iudeorum) uber den Kopf Christi anbringen.

Mystische Literatur, die Tatigkeit der Orden, Pilgerfahrten ins Heilige Land und die Entwicklung der Volksfrómmigkeit verbreiteten die Meditationen iiber das Leiden Christi und tru-gen zur Vertiefung der Passionsfrommigkeit bei. Das wichtigs-te Ereignis, das die Entfaltung der Passionsfrommigkeit gefor-dert hat, war das Auffinden der Reliquien des heiligen Kreu-zes durch die hi. Helena im 4. Jh. Die Reliquien wurden an Kirchen und Klóster iibergeben, um den Leidensweg Christi zu ehren. Die Darstellungen des leidenden Christus yertieften religiose Erlebnisse, beriihrten die auf Schmerz, ungerechtes Leiden, Grauen und Tragik dieses Ereignisses empfindsamen Seelen.

Christus auf Golgota gekreuzigt wird mit den in der Bibel erwahnten Teilnehmern dieses Ereignisses dargestellt: Maria und hi. Johannes Evangelist, denen der Erloser sein Testament iibermittelte. Die Gottesmutter wurde mit einem in den Himmel gehobenen Kopf gezeigt, vom Schmerz iiber das Leiden ihres Sohnes zerrissen. Sie weckt Mitleid und ein durchdringendes Schuldgefiihl fur Siinden, die vom Erloser am Kreuz gesiihnt wurden.

„Ais nun Jesus seine Mutter san und bei ihr den Jiinger, den er lieb hatte, spricht er zu seiner Mutter: Frau, siehe, das ist dein Sohn! Danach spricht er zu dem Jiinger: Siehe, das ist deine Mutter! Und von der Stunde an nahm sie der Jiinger zu sich“ Joh 19,26-27. Maria wurde an dieser Stelle die Mutter der Kirche.

„Mit Maria Magdalena am Kreuz in Tranen gebeugt“. Am Kreuz kniet klagend Maria Magdalena, die hier die sundenhafte Menschheit symbolisiert, die sich bekehrt und bufśt.

In der Zeit nach dem Konzil von Trient etablierte sich eine Darstellungsweise des Todes von Jesus: dramatische Licht- und Schattenkontraste, dynamische Bewegungen, Korpersprache, rhetorische Gestik und Tiefe der geistigen Erlebnisse. Die Kunst der Barockzeit lehnte in dieser Szene ausgebaute apokryphische und sagenhafte Motive ab. In der Ikonografie der Kreuzigung blieb nur die Bibeliiberlieferung, die vom groften Opfer Christi berichtet.

Die polychromierte Skulptur in LebensgroSe, expressiv und grauenerregend, wurde 1704 von Johann Riedel SJ (1654-1736) angefertigt. Der Kiinstler nutzte geschickt die Korpersprache und rhetorische Gesten der dargestellten Gestalten, die Emotionen im Gesichtsausdruck, sogar die kaskadenfor-mig drapierten Kleider, um die Dramatik des Ereignisses zu betonen. Die dramatische Szene wurde vor einer Landschaft im unteren Teil der Komposition dargestellt.